Einige Ergebnisse des
Dresdner Podium GUTE PFLEGE
Sehschwach, halbtaub, dement – und was wird sonst noch bei Älteren leicht übersehen?
22. Mai 2012
Einschränkungen bei Älteren richtig erkennen und deuten.
Eine Veranstaltung im Pflegenetz Dresden
Unsere Partner aus der Selbsthilfe:
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Gretel Schmitz-Moormann,
PRO RETINA Deutschland e.V., Beraterin für Menschen mit Makulaerkrankungen und Sprecherin der AMD-Patienten -
Angelika Gorn
GIA. Gehörlose Menschen im Alter - Kompetenzzentrum Dresden, Fachberaterin
Veranstalter:
PaStell in Kooperation mit dem DRK-Pflegeheim Pieschen und dem Selbsthilfenetzwerk Senioren Wohnen im Stadtteil (SWIS)
Mit über 30 Teilnehmenden fand das Podium am 22. Mai 2012 im DRK-Altenpflegeheim Pieschen, Robert-Matzke-Str. 18, 01127 Dresden, statt.
Worum ging es bei der Veranstaltung
Es kommt in Heimen, aber auch in der Häuslichkeit öfter vor, dass Seh- oder Hörprobleme nicht richtig erkannt werden – oder zu rasch gemeint wird, es handle sich um eine Demenz. Schluss – aus – so einfach kann es sein! Ist es aber nicht!
Deshalb wollten wir etwas näher hinschauen und hinhören. Wie lassen sich Einschränkungen bei Älteren richtig erkennen und ins alltägliche Handeln einbeziehen? Dazu gaben Aktive aus dem Kreis der Betroffenen-Selbsthilfe ihre Erfahrungen weiter. Sowohl Angehörigen als auch professionellen und ehrenamtlichen Helfern wollten wir Anregungen und Überlegenswertes für ihre Tätigkeit mitgeben.
Hier einige Schlaglichter und Anregungen aus der Diskussion:
Behindertenfreundlich ist menschenwürdig.
Nach einer sehr detaillierten und beispielreichen Darstellung der Erfahrungen und Erfordernisse beim Umgang mit hör- und seheingeschränkten Menschen wurde zunächst auch das Verbindende deutlich, kulturelle Grundstandards im Umgang mit Menschen, wie sie generell in der Altenhilfe Praxis sein sollten – Nachfragende und Pflegebedürftige direkt ansprechen, ansehen und ggfs. auch den körperlichen Kontakt suchen. Alle sind Persönlichkeiten mit Eigenarten und Besonderheiten – das gilt selbstverständlich auch für die MitarbeiterInnen, Angehörigen und weiteren Unterstützer. Bei allem Geld- und Zeitdruck – als Kollateralschaden der Pflegeversicherung - muss soviel Zeit sein, uns als Menschen wahr- und anzunehmen – und entsprechend zu verhalten.
Es braucht Zeit zu erkennen, an welchen Einschränkungen ein Mensch tatsächlich leidet – das betrifft auch das Annehmen einer Einschränkung durch einen behinderten Menschen selbst. Bei aller Kompliziertheit muss Altenhilfe und Behindertenselbsthilfe auch hierbei sensibel begleiten.
Gerade älteren Menschen fällt es oft schwer, sich auf neue Hilfsmittel einzustellen. Angehörige sowie haupt- und ehrenamtliche MitarbeiterInnen in der Pflege sollten diese Ablehnung von Hilfsmitteln akzeptieren und ggf. nach anderen Kommunikationswegen suchen. Hinzu kommt, dass eine optimale Versorgung z. B. mit Hörgeräten für Menschen mit einem geringen Einkommen häufig nicht bezahlbar ist. Die Geräte mit wenig Zuzahlung haben oft unangenehme Begleiterscheinungen, de die Hemmschwelle noch erhöhen. Manche Hilfsmittel könnten von Einrichtungen angeschafft werden, damit sie von den BewohnerInnen ausprobiert werden können.
Gesucht sind integrative Angebote mit Raum für die verschiedensten Behinderungen in Dresden.
Manche behinderte SeniorInnen wünschen sich auch in Pflegeeinrichtungen Kontakt zu Gleichbetroffenen. Gibt es in der Region stationäre Angebote speziell für hör- und sehbehinderte Senioren? Dabei geht es nicht um ausschließliche Angebote wie das Storchennest für Taubblinde in Radeberg, sondern darum, ob Einrichtungsträger Seh- und/oder Hörbehinderte mit integrativen Angeboten ansprechen – ein spezifisch ausgelegter Wohnbereich oder Unterstützung bei der Kontaktpflege von Behinderten in der Einrichtung und mit Selbsthilfeakteuren? Ideal ist sicher das Verknüpfen behinderungsspezifischer Schutz- und Entfaltungsräume mit einer Integration in die Gesamteinrichtung. Außerdem könnte ein Überblick über die Belegung von Pflegeeinrichtungen mit sinnesbehinderten BewohnerInnen sowie über deren spezifische Ausstattung für diese Zielgruppe sinnesbehinderten Älteren bei der Suche nach einem geeigneten Pflegeheim helfen.
Weiterführende Info: Seniorenheime für blinde und sehbehinderte Menschen
Viele DBSV-Landesvereine und andere Träger betreiben Seniorenheime, die speziell auf die Bedürfnisse blinder und sehbehinderter Menschen ausgerichtet sind. Die Räume sind angemessen beleuchtet; Hinweise in großer Schrift, Prismen- oder Punktschrift helfen ebenso bei der Orientierung wie Handläufe. Sehhilfen, Hör- und Braillemedien sind vorhanden. Und das Personal ist im Umgang mit blinden und sehbehinderten Bewohnern geschult.
Eine Liste solcher Einrichtungen ist als Excel-Datei im Internet verfügbar unter www.senioren.dbsv.org
Zunehmende Mängel bei der (fach-)ärztlichen Versorgung dürfen wir nicht hinnehmen.
Die Beratung und seniorengerechte Versorgung mit Augenärzten wird in Dresden höchst kritisch gesehen – gerade ältere Patienten „liegen auf der Strasse“, wenn die gewohnte Augenarztpraxis schließt. Wenn auch Begleitdienste auf dem Weg zu weiter entfernten Augenärzten helfen könnten, nehmen Augenärzte oft keine neuen Patienten auf… Ein Augenarzt, der ins Heim kommt, ist kaum noch zu finden.
Behinderten selbst als Fachkräften in der Altenhilfe eine Chance geben.
In Rendsburg/S.-H. bildet die Gehörlosenfachschule (IBAF, Institut für berufliche Aus- und Fortbildung gGmbH, Kanalufer 48, 24768 Rendsburg) hörbehinderte Menschen als Altenpfleger aus.
Zwei gehörlose Altenpflegerinnen haben im Raum Dresden eine Arbeit in der Pflege erhalten. Damit ist ein kleiner Anfang geschaffen worden, Betroffene mit einer Hörbehinderung in der Pflege einzusetzen. Sie können ihr eigenes Erfahrungswissen und ihren Erlebnishintergrund für zu pflegende Senioren mit einer Sinnesbehinderung in die alltägliche Arbeit einbringen.
Gleichzeitig fehlt es an geeigneten Fortbildungsangeboten für Pflegekräfte. Akteure aus der Behindertenselbsthilfe haben sich häufig ein fundiertes Spezialwissen angeeignet und können außerdem ihr Erfahrungswissen als Betroffene einbringen. Diese Ressourcen sollten unbedingt für professionelle Pflegekräfte erschlossen werden.
Behinderte sind Partner in der professionellen Altenhilfe.
Die Angebote von Selbsthilfeakteure müssen im Pflegenetz kenntlich erscheinen, weil sie gerade als niederschwellige Angebote Rat- und Hilfesuchemnden die ersten Schritte erleichtern.
In diesem Sinne informieren die anwesenden VertreterInnen der Selbsthilfe gern auch andere Einrichtungsträger in der Altenpflege.
Dass das gastgebende Heim auf einem guten Weg ist, war spürbar. Ihnen allen sowie den rege und fundiert ihre Erfahrungen und Standpunkte vortragenden BesucherInnen des Podiums sagen die Veranstalter Dank für einen sehr gelungenen Nachmittag – der hoffentlich positive Folgen haben wird.
Zum Dresdner PODIUM GUTE PFLEGE:
Im Erfahrungsaustausch zwischen Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen, MitarbeiterInnen in der Pflege sowie Anbietern und Kostenträgern von Pflegeleistungen wollen wir
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Beispiele guter Pflege publik machen
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Aktuelle Entwicklungen in der Pflege als Lebens- & Arbeitsbedingungen diskutieren
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die fachliche und soziale Kompetenz professioneller und ehrenamtlicher Helfer stärken
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Die Selbsthilfefähigkeiten Betroffener, ihrer Angehörigen und Freunde fördern
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innovativen Konzepten und aktuellen Schwierigkeiten in der Pflege ein öffentliches Aushandlungsforum schaffen.
Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz
Montag, 08. Oktober 2012
mehr Verbraucherschutz, mehr Sicherheit und Selbstbestimmung für Pflege- und Hilfebedürftige? Vortrag mit Diskussion
Referentin: Marion Schmidt, Verbraucherzentrale Sachsen Referentin für Wirtschaft/Handel/Dienstleistungen
Veranstalter: PaStell und Selbsthilfenetzwerk Senioren Wohnen im Stadtteil (SWIS) in Kooperation mit der Verbraucherzentrale Sachsen